Mittwoch, 7. Juni 2006

nächtliche Post

Ich war aufgeregt, unglaublich aufgeregt, die Paper die ich mir zu Hause noch in der Eile in die Tasche gestopft hatte wollten sich nicht lesen lassen, Zeile um Zeile rannte vor meinem Auge vorbei wie die hügelige Voralpenlandschaft gleich hinter dem Zugfenster hier neben mir. Mittlerweile ist sie zu einem morgendlichen Ritual geworden, die flüchtige Kontrolle meines Posteinganges nach verpassten mails der vergangenen Nacht oder der frühen Morgenstunden während ich noch meinen Kopf auf mein weiches Kissen bettete. Sie hat diese Angewohnheit geistige Ergüsse nachts, wenn ich schon tief und fest schlafe in meinen Posteingang zu tippen um zu vermeiden, dass ich möglicherweise sogleich darauf antworte. Das gibt mir einerseits die Chance besonnen und überlegt und nicht wie ein hitzig-angefeuerter Liebhaber antworten zu können. Ich fühle mich reifer, überlegter und überlegener dadurch. Andererseits habe ich das Gefühl, dass keine so richtige Diskussion aufkommen will.
Sie ist fordernd, eines Nachts verlangt sie nach Bildern von mir und im Gegenzug finde ich morgens kleine Songs in meinem Posteingang, von ihr selbst gesungen. Diese Stimme die mir morgens entgegenschallt hat Volumen, allein diese Stimme strahlt Wärme und Sicherheit aus, es ist keine piepsende Mäuschenstimme. Ich bin schwer beeindruckt. So fordert sie mich eines Tages dazu auf, sie endlich anzurufen, sie fordert mich auf ihr meine Adresse zu geben, sie fordert mich auf sie zu treffen.
Deswegen sitze ich im Zug.

Um ehrlich zu sein, ich bin bereits wieder auf der Rückfahrt, am Bahnsteig hat sie mich mit einer wiegenden Umarmung verabschiedet, einen Moment zu lang, als dass ich es "nur" freundschaftlich bewerten könnte, der zarte Kuss ihrer feuchten Lippen auf meinen Hals, meine wirklich empfindliche Stelle, kam wohldosiert und berechnend just in jenem Moment als die Türen piepsenderweise die bevorstehende Abfahrt des ICEs ankündigten. Keine Chance ihn zu beantworten, nur darauf hoffend dass es beim nächsten Mal vielleicht ein wenig mehr sein könnte.
Sie ist berechnend.

Wieder sitze ich in meinem Sitz am Fenster im Zug vor dem die Voralpenlandschaft vorbeirauscht wie die Zeilen meiner Paper. Von meinem Kragen steigt ihr süsser-verlockender Duft auf, ein Duft, der mich den ganzen Nachmittag schon bezirzt hat. Ich lehne mich zurück; die Aufregung ist weg.

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