Morgenbrise

Es ist kühl heute morgen, die frische Morgenkühle streicht durch die geöffnete Balkontür und die noch halbgeschlossenen Vorhänge, die sich leicht wie Federn in der Morgenbrise wiegen. Hinter mir blubbert die Kaffeemaschine und der erste dicke, schwarze Strahl ergiesst sich in die Kanne, der Duft des Frischgebrühten streicht unter meiner Nase hindurch und kitzelt meine Geruchsnerven gehörig. Ich spüre wie die Freude auf den ertsen Schluck Kaffee dafür sorgt, dass die morgendliche Trockenheit im Mund durch die einsetzende Speichelproduktion beendet wird und mir Erleichterung verschafft.

Eigentlich ein ganz blöder Traum heute Nacht, es hätte in den vergangenen beiden Jahren alles so viel leichter sein können, weniger Schmerz auf Herz, weniger rotierende Gedanken und der Kampf mit mir selbst wäre nicht zu kämpfen gewesen um zu der Einsicht gelangen zu können, dass ich tatsächlich nichts falsch gemacht habe. Vor ein paar Wochen habe ich tatsächlich gegen diese innere, oft unerträgliche Unruhe meinen Kampf gewonnen, dieses Gefühl endlich eine Tür hinter sich zufallen zu hören, darauf habe ich lange gewartet und dafür gekäpft. Der wilde, tobende Kampf der Fürs und Wieders läuft jetzt ohne mich, vor dieser Tür. Und dennoch, in manchen Nächten poltern diese Fürs und Wieders so laut vor und an meiner Tür, dass ich, so wie diese Nacht, nicht ans Schlafen denken kann. Ja, ich vermisse Dich, ich vermisse Dich jeden Tag, auch wenn es nicht mehr so wie anfangs jede Sekunde und Minute ist; ich habe die Oasen in denen es sich weniger um Dich als vielmehr um mich dreht gefunden und gelernt sie mit anderen, mit neuen Menschen zu teilen, sie immer wieder aufzusuchen, wenn mir danach ist. In diesen Oasen hast Du nichts mehr zu suchen, aber rein gar nichts und wenn ich könnte, würde ich gerne meine Nachtruhe zu einer dieser Oasen machen, eine Oase in der mein Kopf auf einem kühlen Kissen unter dem Schatten einer Palme ruht.
Sehr lange habe ich darauf gehofft, diese tiefe und ehrliche Zuneigung die ich zu Dir empfunden habe, würde sich eines Tages in Hass, Bedauern, Wut und Mitleid umwandeln. Lange habe ich darauf gewartet, aber meine Zuneigung und meine Liebe wurden nicht weniger. Verzweiflung und blanker Aktionismus, sie waren die ersten beiden die sich vorstellten. "Hallo Stoerti, hast Du Dich schon gefragt, warum das alles so kam, wie es gekommen ist? Hast Du denn schon die Schuld bei Dir gefunden? Was wirst Du dagegen unternehmen?!" waren die ersten Fragen, die sie mir stellten und sie sollten mich diese lange Zeit mit diesen immer wieder kehrenden Fragen martern. Es machte ihnen sichtlich Spass, zu beobachten, wie unberechenbar ich reagieren konnte, wie sie Reaktionen und Handlungen in mir provozieren konnten, zu denen ich zuvor niemals in der Lage gewesen wäre.

Es dauerte eine Zeit lang, ich gelangte immer weiter an den Rand der Einsicht, dass das alles wohl letztlich an mir gelegen haben musste und ich spürte Hass, Wut, Bedauern und Verzweiflung in mir aufkeimen. Und sie wurden stärker und mächtiger je mehr ich einsehen musste, dass sie sich nicht gegen Dich, sondern vielmehr gegen mich selbst richteten, dagegen, dass die Gefühle und der Wandel meiner Gefühle Dir gegenüber ausblieb.Vielmehr musste ich mit Erschrecken beobachten, wie Zuneigung und Liebe durch eine immer stärker werdende Sehnsucht genährt wurden.

Jetzt wird etwas Neues beginnen, ich habe lange genug auf Dich, lange genug auf mich selbst gewartet. Die Entfernung die wir beiden zuletzt gewählt haben wurde nicht kleiner, sie wurde aber auch nicht grösser. Ich habe mich in Selbstmitleid zerfliessen lassen, ich habe Hilfe die mir aus dritter und vierter Hand geboten wurde ausgeschlagen, in der Annahme ich sei stark genug diesen Weg allein zu gehen. Den Eingang zu diesem versteckten Pfad hatte ich schnell gefunden, aber der Wald, in den er führte war dunkel, gross und kalt; ich hatte mich bald darin verlaufen, kein Rufen, kein Schreien drang an ein menschliches Ohr, ich musste Entscheidungen treffen, Dinge tun andere lassen und Umwege in Kauf nehmen, doch Du hast kein Recht eine Erklärung dafür zu verlangen, denn es ist mein Weg, den Du nun zu akzeptieren hast.

Um die erste Lichtung in diesem Wald zu finden musste ich einen Druiden, einen den ich bis dahin kategorisch abgelehnt hatte, finden. Ich hatte bis dahin an Gleichgewichte geglaubt, die sich selbst wieder einstellen können, sollte mal etwas ins Ungleichgewicht geraten. Nur diese Waagschale musste von meinem Druiden mit einem grossen schweren Hammer bearbeitet werden. Sie hat lange gebraucht, sich wieder für mich überhaupt zu bewegen und die Kraft, die mein Druide aufgebracht hat, war so gross dass sie immer noch über der Balance hin- und herschwankt.

Zwei Jahre sind nun vorüber, ich bin einen langen, schwierigen Weg gegangen, ich bin dabei erwachsen und älter geworden. Diesen Weg wirst und kannst Du nicht gehen, es war meiner. Deiner ist der andere Weg, der an jener Stelle an der Kreuzung im Wald begann an der wir uns trennten, an der Du sagtest Du müsstest diesen anderen Weg, ohne mich gehen. Wer weiss, vielleicht sind das ja zwei dieser Wege, die sich oben auf der Höhe, am Ende der beiden Wälder wieder kreuzen. Vielleicht müssen wir ja an dieser oder an irgendeiner anderen Kreuzung wieder ein Stück Weg zusammen gehen; wenn wir wollen.

Aber nicht in der Nacht. Nicht in dieser und nicht in der nächsten. Die Nächte gehören mir und wenn ich Dich wieder sehen werde, möchte ich, dass das auf einer sonnendurchfluteten Kreuzung passieren wird, bei Tageslicht auf der anderen Seite des Waldes.

Der Kaffee ist durch; die ersten Sonnenstrahlen die es durch die Büsche und Bäume im Garten geschafft haben drängen sich vor meinem sich sanft wiegenden Vorhang im Morgenwind. Im Radio schrubbelt 'Status Quo' auf Gitarren einen alten Hit, er lässt mich mal wieder an Dich denken. Das war damals eine herbstliche Saune-Nacht mit alkoholfreiem Jever-Bier, wir haben im Wechsel geschwitzt und miteinander geschlafen, erzählt, gelegen, geschwiegen, gelacht, nackt aus dem Kühlschrank gegessen, geküsst, nackt durchs Haus gerannt wieder geschwitzt und kalt geduscht bis deine Knospen ganz fest waren. Daran denke ich diesen Morgen bei frischem Kaffee an einem Frühsommertag und beschliesse heute nichts zu bloggen und stattdessen mein Rennrädel auszuführen.
Lu (Gast) - 12. Mai, 16:19

musik ist eine rauhe gefährtin, manchmal, und diese geschichte ist schön voll mit allem.

stoertebeker - 13. Mai, 11:47

@Lu: das stimmt; Erinnerungen können einen ganz bestimmten Klang haben, der sich mal leichter mal schwerer anstossen lässt.
Das ist wie auf em Klo sitzen und vor sich hinsummen und dann ist da dieser eine Ton dessen Resonanz plötzlich die Wände wackeln lässt ;-)
waschsalon - 12. Mai, 18:42

chapeau. das ist ne starke geschichte.

stoertebeker - 13. Mai, 11:48

@waschsalon: Dankeschön!
lore.berlin (Gast) - 12. Mai, 19:41

Wunderschön !!! Bin ganz sprachlos und das passiert nicht oft !

stoertebeker - 13. Mai, 11:50

@lore.berlin: Na, dann muss ich ja mit solchen Geschichten sparsam umgehen, sonst laufe ich Gefahr, dass Du eines Tages hier nichts mehr sagst ;-)
interrupted (Gast) - 19. Mai, 01:24

lovefool

stoertebeker - 19. Mai, 09:30

hmmm, so könnte ich es auch nennen.

klingt nur so idiotisch!
Interrupted - 19. Mai, 12:23

kennst du 'lovefool' von the cardigans? passt irgendwie, fin dich...

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