Montag, 11. Dezember 2006

kollektive Persönlichkeitsstörung

An anderer Stelle, in anderem zusammenhang hatte ich es schon einmal erwähnt, jedoch scheint es sich in letzten Zeit so zu verhalten als wolle mich jemand mittlerweile damit aufziehen. Ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn dieses Indefinitvpronomen mit drei Buchstaben am laufendem Band verwendet wird, in jedem Zusammenhang Anwendung findet und die eigentliche Individualität die ein jeder von uns auszuleben versucht damit im Keim erstickt. Sind wir nur noch Maschinen, denen wir uns die eigene Betriebsanleitung vorlesen? Leben wir in einem aufdoktrinierten System, in dem wir uns selbst in unserer Freiheit einengen? Doch langsam, eines nach dem anderen...

Am vergangenen Wochenende hatte ich mal Zeit wie schon lange nicht mehr und mit einer heissen Tasse Kaffee und der Samstagszeitung wollte ich den Vormittag im Bett verbringen. Es begann ganz harmlos mit den Nachrichten, ein schmieriger Politprofi erklärte "man" müsse den Nahostkonflikt wieder diplomatisch am grünen Tisch lösen, ein anderer erklärte "man" müsse den CO2-Ausstoss vermindern um das Kyoto-Protokoll einhalten zu können und ein anderer äusserte sich zur Integration und "man" müsse mehr für die Integration tun, um interkulturellen Konflikten rechtzeitig begegnen zu können und uns Angela erklärte "man" fühle sich wie vom Tellerwäscher zum Millionär nach 12 Monaten Amtszeit. Typisch, oder? Mit "man" lässt sich alles so schön auf Distanz halten, es signalisiert die Einsicht, das etwas unabdingbar ist, das etwas verändert werden muss, aber gleichzeitig lässt sich eine Distanz wahren durch die sich jeder einzelne unserer Berufspolitiker aus der Verantwortung ziehen kann. Mit einem ganz einfachen Wort mit drei Buchstaben. "Man", ich würde gerne, aber kann nicht, weil die anderen, oder: Ich verstehe, aber die anderen sollten ... usw... es wird dadurch alles so schön entschuldbar.

Nächstes Programm, krebskranke Kinder, eine Mutter schildert die Situation, Schmerzen, Angst, Sorgen, Freude und erzählt das alles ohne ein einziges Mal "ich", "wir", "Als Mutter" zu verwenden, sondern ersetzt alles durch das indefinitive, unpersönliche Drei-Buchsatben-Wort.
Ich war schockiert, wobei ich es psyochdynamisch bei ihr noch am besten verstehen könnte, vielleicht als eine Art Verdrängungsmechanismus.

Zapp! Nächstes Programm, Menschen werden auf der Strasse nach PISA befragt, Bildung. "Man kann", "man sollte", "Man darf", "Man darf nicht", "man hat", "man ist" ....

Was ist los? Alle diese Statements wirken als ob über ein jedem von ihnen ein Damokles-Schwert schwebt, dass bei Regelbruch auf sie herniederprasst und sie entzweit, meine Mitmenschen. Fehlt es ihnen an Idenifikation? Werte, für die wir einstehen können und wollen?
Ich spule man meine virtuelle Zeitmaschine zurück, 20 Jahre: Bocksberg, Wackersdorf, Themen die die Menschen bewegten und zwar zu Tausenden auf die Strasse, wofür sie kämpften und wogegen. 15 Jahre: Wiedervereingung, Freudentaumel, ein Volk im kollektiven Glückseeligkeitsrausch. 12 Jahre: Rassimus, rechtsradikale Ausschreitungen, Tausende formieren sich auf den Strassen ...

Und heute? Es ist normal geworden, der alltägliche Rhythmus hat eine lähmende Normalität erfahren, in der ein jeder versucht seine Individualität auszuleben, aber eben angepast auszuleben. Es gibt nur noch wenige Orchideen, alles ist möglich, "man" gibt sich der lähmend-betäubenden Vielfalt hin. Warum sagt niemand mehr "ich" möchte, "ich" kann, "ich" will .... ? "Man" wünscht sich, "Man" stellt sich vor ("Man" könnte sich vorstellen...), keiner ist bereit irgendeine Garantie für irgendetwas zu geben. Ist es das? Fehlende Bereitschaft für etwas einzustehen?

Mir macht diese Entwicklung Angst, zumal sie wie ich finde schon so deutlich ist, dass sie sich auch in unserer Sprache niederzuschlagen scheint. Wir werden unzulänglich, unscheinbar und unsichtbar. Ich wehre mich dagegen, entschieden. Ich habe dieses Indefinitivpronomen aus meinem Wortschatz gestrichen und mit Ekel-Herpes an den Lippen die Glotze abgeschaltet.

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